Unzählige Male wurde ich schon gefragt: Welcher Hund passt zu mir? Ich finde diese Frage sehr, sehr wichtig und absolut berechtigt, egal ob man schon einen Hund hat oder auf der Suche nach dem passenden Familienmitglied ist. Leider erlebe ich gar nicht so selten, dass der bereits eingezogene Hund überhaupt nicht zu seinem Menschen passt. Dann muss man erst einmal einige Dinge mit dem Besitzer klären, ehe man eine Chance hat, aus beiden Parteien ein gutes Team zu machen.

In den letzten Wochen ist mir allerdings des öfteren der Gedanke gekommen, dass wir uns auch einmal fragen sollten: Passe ich zu meinem Hund? Diesen Gedanken habe ich laut an mehrere engagierte Hundemenschen weiter gegeben - und siehe da, es geschah etwas vollkommen Unerwartetes. Während bei Frage 1 ("Passt dein Hund zu dir?") nahezu immer unverzüglich ohne weiteres Nachdenken die Antwort "Ja" kam, wurde jeder bei Frage 2 ("Passt du zu deinem Hund?") ein wenig unsicher, die Antwort kam immer zögerlich und teilweise wollten die Gefragten darüber noch einmal nachdenken. Was war passiert?

Hinter Frage 2 steckt offensichtlich mehr als anfangs vermutet, nämlich: "Kann dein Hund eigentlich mit dem Leben leben, das du ihm bietest? Bist du der Mensch, den sich dein Hund aussuchen würde? Hast du damals die richtige Entscheidung für euch beide getroffen, als du ihn ausgesucht hast?" Wenn man alle Fragen mit "Ja" beantworten kann, ist alles perfekt. Aber was, wenn nicht? Was, wenn man seit Monaten oder Jahren den Hund mit mäßigem Erfolg versucht so umzudrehen, dass man mit ihm leben kann und zufrieden mit ihm ist und nun mit Frage 2 entdeckt, warum dies nicht geklappt hat: Weil der eigene Hund sagen würde: "Sorry, du bist echt nett, aber du passt überhaupt nicht zu mir. An deiner Seite ist das Leben nicht leicht für mich."

Wenn Sie mich jetzt um konkrete Beispiele bitten, dann habe ich augenblicklich welche zur Stelle. Da gibt es den Deutsch Drahthaar in meinem Kundenkreis, der nie zur Jagd ausgebildet wird, auch nicht jagen darf und in tollster Natur ausschließlich an der Schleppleine geht. Entsprechend durchgeknallt und leicht aggressiv ist er. Dabei würde es ihm schon reichen, anderweitig Nasenarbeit zu machen und vernünftig zum Dummyapport ausgebildet zu werden. Er muss eigentlich lebenslang "vegetarisch jagen", damit sein Trieb ausgelastet wird. Dazu hat die Besitzerin aber keine Lust.

Ein Herdenschutzhund im Nachbarort, Rüde, unkastriert, wunderschön und von bestem Charakter, soll unbedingt der ständige Begleiter der Familie sein und mit der Tochter Agility machen. Sie denken, das stimmt nicht? Leider doch. Fakt ist, dass der Rüde absolut unverträglich in seiner Gruppe ist, ständig Hunde und Menschen fixiert und anknurrt, wenn er durch die Stadt geht und auch die Besitzerin schon an die Wand gestellt hat, weil sie einen Besucher ins Haus lassen wollte, er aber nicht. Danach rief sie mich an, um ihm alle diese "schlechten Angewohnheiten" abzugewöhnen. Das, was diese Familie von diesem Hund verlangt, kann er ihnen nicht geben. Auch er würde sagen: "Bei euch habe ich kein leichtes Leben. Dabei könnte alles so schön sein."

Sie merken es wahrscheinlich schon beim Lesen: Man bekommt eine andere Sicht auf diese Dinge, wenn man die Frage nach dem "Wer passt zu wem" umstellt. Natürlich müssen unsere Hunde erzogen und geformt werden, damit wir und alle unsere Mitmenschen mit ihnen leben können. Aber irgendwann wird es ungerecht, einen Hund in eine Form hineinzupressen und ihm ein Leben abzuverlangen, das er eigentlich nicht meistern kann. Viele Hunde zeigen dies durch Stressreaktionen, Unsicherheit oder Aggression, manche auch durch depressives Verhalten oder spleenige Ticks. Aber hier gibt es einen Ausweg. Es bleibt einem dann nichts anderes übrig, als einige angeborene und nicht veränderbare Charaktereigenschaften zu akzeptieren und die Bedürfnisse des Hundes zu erfüllen, auch wenn das an die eigene Bequemlichkeit geht. Und so wird aus einem "Der Hund passt zu mir" manchmal eben ein unerwartetes "Ich passe zu meinem Hund".

Ein harmonisches Zusammenleben mit Ihrem Vierbeiner

Ihre Martina Nau
und das Baak-Dogwalker-Team