
August 2025: Ganz einfach: Ich pfeif drauf!
04.08.2025
Tja, man kann es sich selbst und seinem Hund schwer machen im Leben. Das gilt vor allem, wenn man ihn gerne frei und leinenlos laufen lassen möchte, möglichst oft und fast überall. Aber genau das traut man sich meistens nicht ... oder man traut sich und weiß genau, dass es nicht lange dauern wird, bis es ein Problem gibt: weil er nämlich nicht zurück kommt, wenn man ihn ruft. Wenn man das jedoch schon im Vorhinein weiß, dann DARF man seinen Hund eigentlich gar nicht ohne Leine laufen lassen. Im Falle eines Schadenereignisses ist die Rechtsprechung da ganz eindeutig. Und dann gibt es die andere Seite des Problems: Jeder Hunde SOLLTE so viel wie möglich frei laufen dürfen. Das braucht er für seine körperliche und geistige Gesundheit.
Der Ausweg aus diesem Dilemma sollte uns eigentlich allen klar sein: neben einer guten Beziehung und Triebauslastung geht es hier vor allem um Gehorsamkeitstraining. Nicht jedem Menschen und nicht jedem Hund fällt Training jedoch leicht, wenn es sich ausgerechnet ums Zurückkommen handelt. Es gibt viele Lernwege und nicht alle passen auf den einen Menschen und den einen Hund. Zudem muss man oft bereit sein, eine gute Portion Zeit, Kreativität und Fleiß zu investieren. Aber es gibt ein kleines, unauffälliges Ding, das allen helfen kann: die Pfeife.
Die Pfeife ist eines der wertvollsten Hilfsmittel im Hundetraining und häufig der Garant für einen unbeschwerten Freilauf unserer Hunde. Denn auch wenn sie sich mal aus unserer Rufweite entfernen oder die Nebengeräusche unsere Stimme überdecken - die Wahrscheinlichkeit, dass unser Hund dann noch immer eine gut konzipierte Pfeife hört, ist sehr groß.
Ist die Pfeife erst einmal gut konditioniert, reagieren die meisten Hunde nicht nur besser, sondern häufig auch lieber auf sie als auf unsere Stimme. Der Grund ist verständlich: der Ton klingt immer gleich, neutral und emotionslos, also immer so, wie der Hund sie in den zwei Konditionierungsphasen kennen gelernt hat.
Für mich persönlich ist unsere Pfeife aber auch angewandte Fairness. Denn wenn mein Hund mit seiner Nase oder mit seinen Augen Wild verfolgt, dann treten alle anderen Reize in den Hintergrund. Das gleiche geschieht bei jungen Hunden, wenn sie andere Hunde sehen. Mit einem Pfiff dringen wir jedoch in ihr Gehirn und geben ihnen die Gelegenheit, sich wieder zu uns zu orientieren - vorausgesetzt, sie wollen das. Doch das setze ich jetzt mal voraus. Denn das hat mit Beziehung zu tun.
Pfeifen gibt es aus verschiedenen Materialien. Wir bevorzugen seit vielen Jahren Jagdpfeifen aus Kunststoff, deren Tonlage standardisiert ist. So können wir statt immer die gleiche Pfeife mehrere Pfeifen abwechselnd einsetzen und - falls mal eine verloren geht - einfach ins Regal greifen und sie ohne neuerliche Konditionierung sofort nutzen. Auf diese Weise laufen wir nicht Gefahr, dass der Hund sich noch nicht ausreichend an einen neuen Ton gewöhnt hat und deswegen nicht oder verspätet reagiert.
Wir konditionieren die Pfeife in zwei Schritten. Zuerst geben wir dem Hund jedes Mal ein Leckerchen aus der Hand, während wir einen Doppelpfiff geben. Die Gleichzeitigkeit von Pfiff und Leckerchen ist sehr wichtig. Wiederholen Sie diese Übung mehrmals in kleinen Trainingseinheiten, sowohl im Haus als auch auf Spaziergängen. Wählen Sie hierfür die allerbesten Leckerchen.
Nun hat der Hund gelernt: Doppelpfiff gleich Leckerchen. Mehr nicht!
Um nach diesen ersten Trainings zu testen, ob ihr Hund verstanden hat, dass der Pfiff ein Leckerchen für ihn ankündigt, rufen Sie ihn zunächst im Haus mit dem Doppelpfiff zum Essen oder wenn sie mit ihm spielen möchten. Kommt er auf den Pfiff in dieser einfachen Situation, dann trainieren Sie Schritt Nummer zwei. Sie rufen Ihren Hund mit freundlicher Stimme und geben mehrmals den Doppelpfiff, während er auf Sie zustürzt. Hat er Sie erreicht, pfeifen Sie nochmals und geben ihm ein Leckerchen, ein Spielzeug, spielen mit ihm oder belohnen ihn so, dass er die Belohnung als Jackpot auffasst. Zwei Dinge sind wichtig: Die Leckerchen müssen so gut sein wie selten zuvor und Sie dürfen die Ablenkungen nur langsam steigern. Erst wenn er im Haus immer kommt, dann üben Sie im Garten. Erst wenn er dort immer kommt, dann woanders, aber mit wenig Ablenkung, dann mit erhöhter Ablenkung auf Spaziergängen. Pfeifen Sie nicht inflationär häufig.
Nun erst hat der Hund gelernt: Doppelpfiff gleich "Komm" und kommen lohnt sich.
Manche Hunde sind jedoch tatsächlich im Ernstfall (wenn sie zur Jagd ansetzen oder zu anderen Hunden wollen) eher dazu zu überreden, sich dort hinzusetzen oder hinzulegen statt zurück zu kommen. Auch in diesem Fall leistet die Pfeife die gleichen guten Dienste. Konditionieren Sie zusätzlich zum Kommpfiff einen Sitz- oder Platzpfiff. Nutzen Sie hierzu die bereits bekannte Vokabel "Sitz" oder "Platz", wenn der Hund in Ihrer Nähe ist und pfeifen Sie am besten einen langen Pfiff, genau während der Hund sich setzt oder legt. Starten Sie auch hier im Haus, dann üben Sie im Garten, danach auf Spaziergängen mit langsam zunehmender Ablenkung. Wenn Sie die Entfernung vergrößern, belohnen Sie Ihren Hund fürs Absetzen oder Abliegen, indem Sie Ihr Belohnungswort oder den Clicker nutzen, dann zu ihm gehen und ihm ein Leckerchen geben.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie nun zu dem Entschluss gekommen sind, vielleicht zum ersten Mal in Ihrem Leben eine Pfeife einzusetzen oder die alte Pfeife wieder aus dem Schrank zu holen - oder auch einfach nur den Pfiff noch einmal nachzukonditionieren, damit er noch besser funktioniert als bisher.
Herzliche Grüße sendet Ihnen
Ihre
Martina Nau