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Die Überschrift ist ernst gemeint. Auch wenn man denkt, das könnte es gar nicht geben, was sie unterschwellig mitteilt: Ich habe einen Hund, ich sehe ihn an und denke: Hups,der ist ja aggressiv! Und nun?

Leider ist es oft so, dass einem Hundebesitzer schleichend – nach und nach - klar wird, dass sein Hund eine Aggression zeigt, die überdurchschnittlich ist, untolerierbar oder sogar gefährlich. In den meisten Fällen hat der Hund dies zwar schon seit einiger Zeit gezeigt, aber aufgefallen ist es keinem. Andererseits zeigt ein Hund manchmal plötzlich und unerwartet ein starkes Aggressionsverhalten und alle sind schockiert: Das hätte keiner von diesem Hund gedacht. Es gab wirklich keine Anzeichen, die das angekündigt hätten.

Dieses Thema ist ein weites und sehr schwieriges Feld. Es gibt so viele unterschiedliche Gründe, aus denen heraus ein Hund aggressiv reagiert, so viele mögliche Trainingswege und so unterschiedliche Erfolgsaussichten, dass man nie generelle Empfehlungen geben kann. Dazu kommt: Was für den einen Mensch schon Aggressivität ist, ist für den anderen noch normales Hundeverhalten.

Stellen wir bei einem Hund eine Neigung zu erhöhter Aggressionsbereitschaft fest, dann gilt es erst einmal die (noch sehr allgemein angenommene) Grundursache zu finden. Ganz grob könnte man von vier Kategorien sprechen:

 

  1. Aggression auf Grund einer genetischen Disposition
  2. Aggression auf Grund eines Kontrollkomplexes
  3. Aggression auf Grund von Angst, Furcht oder Ängstlichkeit
  4. Aggression auf Grund eines übersteigerten Selbstbewusstseins

Teilweise sind diese vier Gründe stark vereinfacht. Sie treffen jedoch das jeweilige Problem, das der Hund hat, auf eine für uns Menschen verständliche Weise. Der eine Grund schließt den anderen hierbei nicht aus. Ein Hund könnte also sowohl eine ererbte erhöhte Aggressionsbereitschaft haben als auch gleichzeitig eine Angstaggression.

Zu diesen allgemeinen Aggressionstypen gibt es wiederum Unterkategorien, z.B. die Leinenaggression, die Territorialaggression aus Angst oder auf Grund eines Kontrollkomplexes, eine Aggression nur gegenüber anderen Hunden auf Grund einer genetischen Disposition oder aus Angst, gegenüber Welpen, Menschen, usw. Die Kombinationen sind zwar nicht endlos, aber doch zahlreich.

Häufig ist die Tendenz eines Hundes, eine überdurchschnittlich hohe Aggression zu zeigen, früh zu erkennen, oft bereits in der Welpenstunde oder in der Pubertät. Es sind dann Kleinigkeiten, die sich aneinanderreihen und einem geübten Auge zeigen: Hier bahnt sich ein Problem an. Oft attackieren

diese jungen Hunde schon sehr früh andere Welpen übertrieben hart. Oder sie lehnen wochenlang beharrlich jede Spielaufforderung oder Kontaktaufnahme anderer Hunde oder Menschen ab, egal wie freundlich und fröhlich diese ist. Oder sie ziehen sich in Situationen, die ihnen Angst bereiten, nicht zurück, sondern gehen aggressiv nach vorne, manchmal sogar gegen Regenschirme oder Spielzeuge.

Je früher man an solchen Problemen arbeitet, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Schwieriger wird es, wenn man einen erwachsenen Hund aufnimmt, der bereits Aggressionen zeigt. Dann dauert es länger, bis sich im Training herausstellt, worin genau das Problem des Hundes liegt. Der Aggressionstyp und die Stärke muss so sorgfältig wie möglich definiert werden, damit die Fehlerquote im Training so gering wie möglich ist. Von einem guten Gefahrenmanagement und dem richtigen Trainingsweg hängt nicht nur der Erfolg des Trainings ab, sondern auch die Gefahr für andere Hunde oder Menschen.

Aus der Erfahrung heraus kann ich sagen, dass in den meisten Fällen die Erfolgsaussicht für ein Anti-Aggressionstraining sehr stark davon ab hängt, inwieweit der Besitzer bereit ist mitzuarbeiten. Fast immer ist damit verbunden, dass er sich von lieb gewonnenen Gewohnheiten trennt, dass er sich einschränkt oder Vorbehalte aufgibt, denn nicht selten liegt der Grund für das hundliche Aggressionsverhalten in der Einstellung und im Verhalten des Besitzers.

Besonders unangenehm ist für viele Menschen der Gedanke, dass der Hund an ihrer Seite plötzlich einen Maulkorb tragen soll. Nahezu alle Hundebesitzer sind jedoch schon nach kurzer Zeit wesentlich entspannter, weil ja nun nichts mehr passieren kann. Diese Entspanntheit geht natürlich auch auf den Hund über. Nahezu immer macht ein Maulkorb ein Training erst möglich. Denn dass er nun nicht mehr schnappen oder sogar beißen kann, das bemerkt ein Hund schnell. Wenn ihm aber der Weg über seine Zähne verwehrt bleibt, sucht sich jeder normale (!) Hund andere Lösungswege. Endlich hat man die Möglichkeit, gezielt Beschwichtigungsgesten, Ausweichen und Schutzsuchen beim Menschen zu belohnen und als neue Handlungsalternative zu festigen. Dies ist in den meisten Fällen zumindest ein Anfang.

Wie wir sehen, haben wir Menschen einen großen Einfluss darauf, ob es aggressive Hunde überhaupt gibt oder nicht. Ein Züchter sollte eine sorgfältige Zuchtauslese treffen, ein Tierschützer sollte Hunde in die richtigen Hände oder notfalls auch gar nicht vermitteln, ein Hundetrainer Aggressionen früh erkennen, warnen und adäquat trainieren, ein Hundehalter sollte sich mit Hundeverhalten auseinander setzen und ein Auge auf die Entwicklung des eigenen Hundes haben. Wir alle sollten mit klarem Menschenverstand, dem Wissen um Hundeverhalten und dem nötigen Gefühl mit unseren Hunden umgehen, damit wir uns nicht irgendwann fragen müssen: Aggressiv – und nun?

Herzliche Grüße

Ihre Martina Nau