Was denn nun? Sollte man mit Leckerchen trainieren oder ohne? Lieber mit Spielen motivieren oder mit Futter? Oder doch lieber ohne alles? Schließlich soll der Hund ja nicht alles nur für Leckerchen oder für ein zu erwartendes Spiel machen. Nein, nein, der Hund sollte gehorchen, weil ich Persönlichkeit zeige und er mich respektiert …
So ähnlich hört es sich an, wenn Befürworter und Gegner miteinander darüber diskutieren, ob es der Respekt vor unserer eigenen Persönlichkeit ist oder die Erwartung eines Leckerchen, die einen Hund dazu bringen sollte, das zu tun, was wir gerne hätten.
Wie schade, dass weder der eine noch der andere Recht hat, denn dann wäre es ja sehr einfach, Hunde zu erziehen. Zunächst einmal ein paar Gedanken dazu, die den Hund (absichtlich) vermenschlichen. Wer von uns arbeitet eigentlich längere Zeit ohne Bezahlung? Eine kurze Zeit, ja, aber dauerhaft? Womöglich nur deswegen, weil der Chef eine so ausgeprägte Persönlichkeit besitzt? Und die Auslagen, die man hatte, wenn man jemandem einen Gefallen tut, die hätte man meistens auch gerne zurück. Und warum sollten da unsere Hunde anders sein als wir? Selbst wenn wir etwas längere Zeit ohne Bezahlung oder Belohnung machen, dann hat dies einen Grund: Wir sehen einen Sinn darin oder unser Tun ist selbst belohnend. Nun, so ist das auch bei Hunden.
Jagdhunde jagen und Hütehunde hüten, weil es für sie selbst belohnend ist. Trainiere und arbeite ich mit diesen Hundetypen in ihrem eigenen Metier, kann ich das Training so aufbauen, dass die Belohnung für das richtige Benehmen die Ausführung der selbst belohnenden Handlung ist. Jedoch ist zum Beispiel für einen Jagdhund das Sitzenbleiben ohne Aussicht auf Jagderfolg nicht selbst belohnend. Wie also zeige ich ihm, dass es sich lohnt sitzen zu bleiben?
Jetzt höre ich augenblicklich den Einspruch: „Warum muss sich immer etwas für den Hund lohnen? Er soll gehorsam sein, weil ich das verlange.“ Natürlich. Dagegen spricht ja auch nichts, wenn er gelernt hat, was er tun soll. Es spricht in diesem Fall auch nichts dagegen, das Gelernte und schon oft Gezeigte beim Hund „durchzusetzen“ (das geht durchaus auch ohne oder mit „vernünftiger“ Einwirkung des Menschen!). Aber auf Dauer wird solch ein Erziehungssystem ohne Belohnung für uns anstrengend und für den Hund sehr negativ besetzt. Und wenn jetzt jemand einwirft: Aber ich belohne ihn doch durch Streicheln – dann sollte man bitte erst einmal genau hinschauen, ob sich der Hund überhaupt belohnt fühlt, wenn man ihn anfasst. Natürlich gibt es Hunde, die man mit Streicheln belohnen kann, aber sie sind selten.
Mit Leckerchen zu trainieren ist einfach und kommt den allgemeinen Regeln, die das Lernverhalten des Hundes bestimmen, sehr entgegen. Das Timing ist gut einzuhalten, die Intensität (vom einfachen Futter bis hoch zur Kalbsleberwurst) kann gut abgestuft werden, der Hund bleibt aufmerksam, ohne durchzudrehen wie es häufig beim Belohnen durch Spielen der Fall ist und vieles mehr.
Aaaaber … auch mit dem Training mit Leckerchen kann man sehr viele Fehler machen. Anfangs locken wir den Hund z. B. ins „Sitz“, doch aus dieser Lockphase kommen viele Menschen nicht mehr heraus. Und genau hier liegt ein Problem. Finde ich den Absprung nicht relativ schnell und gehe aus der Lockphase in die Belohnungsphase, dann macht ein Hund
sehr bald alles nur noch, wenn er ein Leckerchen sieht oder riecht. Ist dies nicht der Fall, macht er kein „Sitz“. Manchmal hört man dann so Sätze wie: „Der Hund erpresst dich.“ Das ist ganz bestimmt nicht der Fall. Für diese Hunde gehört das Leckerchen zur Ausführung des Kommandos. So haben wir es ihnen versehentlich beigebracht. Richtig wäre es gewesen, darauf zu achten, ab wann der Hund die Übung verstanden hat. Dann gibt man zuerst das Kommando, das Leckerchen bleibt in der Tasche oder in der Hand, die nicht das Sichtzeichen zeigt, man belohnt den Hund direkt nach der Ausführung mit dem verbalen Bestärker (oder Clicker) innerhalb einer Sekunde und gibt ihm danach erst das Leckerchen. Achtet man nun darauf, dass man ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gleichmäßig, sondern nur noch variabel verstärkt, schleicht man das Leckerchen aus.
Häufig wird dieses formale Lernen in einen großen bunten Topf geworfen mit dem sozialen Lernen. Die meisten Menschen verstehen unter Hundetraining ausschließlich „formales Lernen“ wie Gehorsamkeitstraining, „Sitz“, „Platz“, „Fuß“. Dies geht sehr gut mit Leckerchen. Mindestens genauso wichtig – wenn nicht noch wichtiger – ist jedoch das Erlernen sozialer Verhaltensweisen. Und dies funktioniert häufig schlecht oder gar nicht mit Leckerchen. Hier kommt die Persönlichkeit des Menschen ins Spiel.
Zeigt ein Hundehalter Präsenz, dann hat er beinahe gewonnen. Unter Präsenz verstehe ich, dass er angemessen und sofort sowohl auf gutes als auch auf schlechtes Verhalten seines Hundes reagiert. Pöbelt der Hund also einen anderen Hund an, sollte der Hundehalter eingreifen, sofort und so, dass sein Hund dies auch versteht. Hier ist die richtige Körpersprache und der richtige Tonfall gefragt – und ein schnelles Umschwenken in beidem, sobald sich der Hund wieder richtig verhält. Dies hieße, er hört auf mit dem Pöbeln und schaut seinen Besitzer an oder beschwichtigt oder kommt zu ihm zurück.
Persönlichkeit zeigen wir Menschen unseren Hunden außerdem, wenn wir ihnen generell bestimmte Regeln vorgeben, an die sie sich zu halten haben und deren Einhaltung wir auch durchsetzen. Welche Regeln dies sind, ist beinahe egal, doch sie müssen für den Hund als Regel zu erkennen sein. Außerdem gehört hierzu auch ein ruhiges, selbstsicheres Auftreten, das unsere Hunde in ihrem Leben durch Situationen leitet, die sie verunsichern.
Das Wichtigste jedoch ist, sich nicht zu verstellen. Seien Sie ehrlich zu Ihrem Hund! Zeigen Sie ihm, wenn Sie sich über ihn ärgern oder freuen. Sagen Sie ihm, wenn er kommen soll, aber auch, wann Sie genug von ihm haben und er Sie in Ruhe lassen soll. Reden Sie sich nicht ein, Ihr Hund merkt nicht, wenn Sie Angst haben oder aufgeregt sind. Er sieht es, er riecht es und er fühlt es. Seien Sie deutlich und authentisch.
Persönlichkeit & Leckerchen: Je mehr man darüber nachdenkt, desto eher kommt man zu der Erkenntnis, dass diese beiden Dinge sich nicht ausschließen. Gemeinsam erleichtern sie unser Zusammenleben mit unseren Hunden und führen uns zu einer phantastischen Beziehung mit ihnen.
Herzliche Grüße
Ihre
Martina Nau